Positives Fazit nach antirassistischem Aktionstag in Kiel, doch „unser Kampf geht weiter!“

Transnationaler Aktionstag „We’ll come united – United against Racism – Für eine Gesellschaft der Vielen!“ in Kiel und über 20 Städten

In Frankfurt am Main, Berlin und vielen weiteren Städten haben zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen im Rahmen Aktionstage stattgefunden. Auch transnational haben Initiativen aus der Schweiz, Frankreich und Österreich sich dem Aufruf angeschloßen. Das Bündnis macht damit auf den Jahrestag des “march of hope” vor fünf Jahren aufmerksam. Mit dem “march of hope” auf der sogenannten Balkanroute gelang im langen Sommer der Migration 2015 der Durchbruch an den europäischen Außengrenzen.

“Fünf Jahre nach 2015 machen wir deutlich: Wir sind hier! In Europa und in Deutschland, in Chemnitz und in Hanau. Daran kann kein rechter Terror, kein BAMF, kein Innenminister und keine Ausländerbehörde etwas ändern”, sagt Rola Saleh von dem Netzwerk We’ll come united. “Wir kämpfen dafür, dass Menschen ein menschenwürdiges Leben ohne Angst vor Abschiebung oder rechter und rassistischer Gewalt führen können”.

Der Aktionstag begann mit einem antifaschistischen Spaziergang, organisiert vom Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel, im Stadtteil Elmschenhagen, in dem in den vergangenen Wochen vermehrt Nazi-Propaganda aufgetaucht war. Die Teilnehmer*innen konnten diverse rassistische Sticker aus dem Stadtbild entfernen und emanzipatorische Statements hinterlassen. Der Spaziergang endete auf dem Gaardener Vinetaplatz.

Zur Aktion „Farbdruck gegen Rechtsruck“ am Vinetaplatz in Gaarden hatte die Seebrücke Kiel zusammen mit Embipoc – Empowerment von Black, Indigenous und People of Color Kiel und KOP Kiel geladen. Zahlreiche Menschen aus dem Stadtteil und ganz Kiel kamen der Einladung nach und verzierten T-Shirts und Beutel mit unter anderem Sprüchen wie „United against Racism“, „Kein Vergeben, kein Vergessen“, „No justice, no peace, no racist police“ oder „Leave No One Behind“. Die Schablonen dafür wurden von den Gruppen Embipoc – Empowerment von Black, Indigenous und People of Color Kiel, KOP Kiel und der Seebrücke Kiel selbst zur Verfügung gestellt. Die Aktion kam auch bei den Jüngeren gut an, die ihrer Kreativität freien Lauf ließen und mit bunten Beuteln und dem ein oder anderen bunten Finger nach Hause gingen. Die auf einer Wäscheleine zum Trocknen aufgereihten Beutel und die Live-Musik zogen viele Neugierige an, mit denen die Veranstalter*innen ins Gespräch kamen. Die Menschen der Seebrücke Kiel und die Teilnehmenden der Aktion sind sich einig, dass dies nicht die letzte Aktion dieser Art gewesen sein soll.

Die „Open Mic“ Aktion von Embipoc – Empowerment von Black, Indigenous und People of Color Kiel am Europaplatz ging um 15 Uhr los und startete mit einen wichtigen Beitrag vom Verein Daero Eritrea e.V, zum Thema Familienzusammenführung und es wurde auf die Petition einer Betroffenen aufmerksam gemacht, die sich für diese wichtige Thema stark macht.
Darauf folgten zwei Beiträge von der Hochschulgruppe, welche nochmal ihre Gedanken und Erfahrungen mit strukturellem Rassismus mit uns geteilt haben.
Der letzte Beitrag wurde abschließend mit dem Gedicht „Deutschland im Herbst“ von May Ayim beendet. Trotz dessen das keine Person spontan vom Open-Mic gebraucht machte, haben viele Passant*innen angehalten, sich die Beiträgen des Open-Mics angehört haben und dem Gesagten auch Zuspruch gegeben haben. Unterstützt wurde unsere Aktion musikalisch von Saad der SAFAR BAND.

An der gemeinsamen Abschlusskundgebung beteiligten sich 150 Menschen, es gab u.a. Redebeiträge der ZBBS e.V., der DIDF-KIEL, vom Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel sowie des Netzwerk antirassistische Aktion Kiel samt Audiobeitrag einer abgeschobenen Freundin aus Serbien.
Die Aktivist*innen schlossen die Abschlusskundgebung mit den Worten:
„Wir kämpfen für solidarische Städte in einem offenen Europa. Gegen Ausbeutung und Ausgrenzung. Für das Recht zu bleiben, zu kommen und zu gehen.
Für gleiche Rechte. Für Alle. Wir sehen uns, denn unser Kampf geht weiter!“

Programm des Aktionstages am 05.09. in Kiel

Aktionstag am 05.09. in Kiel

13:00 Uhr – Spaziergang und Stickern gegen Rechts mit dem Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus (ab Andreas-Hofer-Platz, Elmschenhagen)

14:00 Uhr – Farbdruck gegen Rechtsruck: Beutel bedrucken mit der Seebrücke Kiel @ Vinetaplatz

15:00 UhrOpen Microphone organisiert von EmBIPoc @ Europaplatz

16:00 Uhr – Abschlusskundgebung @ Platz der Matrosen (Bahnhofsvorplatz)

Weitere Infos zum Programm findet ihr hier.

5 Jahre March of Hope: We stay united!

Nach der Ermordung von George Floyd durch einen Polizeibeamten in Minneapolis hat die Black Lives Matter-Bewegung die Straßen erobert und allen gezeigt, dass Rassismus weltweit System hat. In Hanau wurden am 19. Februar dieses Jahres 9 Menschen durch einen rassistischen Terroranschlag ermordet. Parallel dazu werden die NSU-Akten für Jahrzehnte weggeschlossen, rassistische Netzwerke und ihre Verbindungen in Polizei und Verfassungsschutz werden toleriert. Institutioneller Rassismus prägt den Alltag in Ämtern und Behörden, bei der Polizei, bei der Wohnungssuche und auch in der Lohnarbeit. Ausgrenzung schafft die Bedingungen für rassistische Ausbeutung in den Niedriglohnsektoren. Rassismus verletzt und tötet, auf sehr vielen verschiedenen Ebenen.

Dazu EmBIPoc:
„In den letzten Jahren ist das Bewusstsein für strukturellen Rassismus angestiegen. Anders als der offensichtlich plakative Rassismus ist der strukturelle Rassismus schwer zu identifizieren. Er besteht aus Mechanismen und Stereotypen, die die Gesellschaft formen und das Miteinander beeinflussen. Ein wichtiger Bereich ist der Bildungssektor. Hier zeigt sich, dass BIPoC- Schüler*innen tendenziell schlechter benotet werden, weniger Empfehlungen fürs Gymnasium erhalten und dadurch häufig schlechtere Zukunftschancen haben. Daneben gibt es Probleme auf dem Wohn- und Arbeitsmarkt, die ebenfalls die sozialen und ökonomischen Ressourcen von BIPoC beeinträchtigen. Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der es keinen strukturellen Rassismus, keine Unterdrückung der arbeitenden Bevölkerung gibt, wir wollen eine solidarische Gesellschaft, in der sich jeder selbsbestimmt und frei
ausleben kann, ohne die Freiheit seiner Mitmenschen einzuschränken!“

Dagegen steht unser täglicher Protest und Widerstand. Dagegen setzen wir unsere Solidarität, die klar und deutlich gegen alle Formen des Rassismus kämpft. Unsere Forderungen werden lauter: für ein Bleiberecht und Papiere für alle, für Bewegungsfreiheit und offene Grenzen, für gleiche Rechte für Alle.

„Wir stellen uns entschlossen gegen das Abschottungssystem und gegen die Kriminalisierung von Flucht. Schleswig-Holstein will kommendes Jahr ein Abschiebegefängnis eröffnen, gemeinsam mit HH und MV. Einen Menschen der Freiheit zu berauben, ohne dass eine Straftat vorliegt, ist Unrecht! Die Kampagne „Kein Abschiebegefängnis in Glückstadt und anderswo“ kämpft gegen das Gefängnis im Kreis Steinburg. Wir lehnen Abschiebungen und Abschiebehaft von geflüchteten Menschen grundlegend ab!“ – Netzwerk antirassistische Aktion Kiel

Leave no one behind wurde in den letzten Monaten als Slogan überall aufgegriffen und verbreitet. Er steht nicht nur für die Evakuierung der menschenunwürdigen Transitcamps auf den griechischen Inseln, sondern für die Schließung aller Lager und für ein Ende sozialer Ausgrenzung:

„Die Situation an den EU-Außengrenzen sowie in den griechischen Lagern spitzt sich immer weiter zu, täglich sterben Menschen auf der Flucht! Während in den griechischen Lagern zum großen Teil wesentlich mehr Menschen leben müssen, als diese fassen können (Moria: 15.000 auf Platz für 3.500 Menschen; Samos: 5.000 auf Platz für 650 Menschen). Gleichzeitig setzt Griechenland das Asylrecht aus, führt illegale und gewalttätige Pushbacks durch und geht mit Repressionen gegen Flüchtende und Aktivist*innen vor. Im Mittelmeer starben zuletzt an einem Tag mindestens 45 Menschen bei dem Versuch, die Festung Europa zu erreichen. Dennoch blockiert das Bundesinnenministerium weiterhin jegliche kommunale Aufnahme. Dies geschieht trotz der Aufnahmebereitschaft mehrerer Kommunen und zuletzt den Landesaufnahmeprogrammen aus Thüringen und Berlin: Horst Seehofer lehnte diese höchstpersönlich ab und verurteilt damit direkt weitere Menschen zu Tod und Leid in den Lagern und auf dem Mittelmeer. Mit #LeaveNoOneBehind wollen wir weiter Öffentlichkeit schaffen und den Druck auf das Bundesinnenministerium erhöhen, wir können nicht auf eine europäische Lösung warten, die weitere Abschottung beinhaltet!“ – Seebrücke Kiel

Der September 2015, vor genau fünf Jahren, markiert einen historischen Durchbruch gegen das Grenzregime. Der March of Hope hatte demonstriert, dass die Überwindung der Grenzen möglich ist. Der Sommer der Migration hatte gezeigt, dass ein offenes Europa vorstellbar wird. Aber auch in Zeiten von Corona gilt: Wir sind hier. Wir sind immer noch da, in Europa, in Deutschland und in Hanau. Daran kann kein Terror, kein BAMF und keine Behörde etwas ändern. Wir sind immer noch da und unser (all)täglicher Kampf geht weiter:

#leavenoonebehind – No Lager nowhere
#noborders – From the Sea to the Cities
#keinmenschistillegal – Stop Deportation and Dublin!
#migrantifa – gegen Rassismus und rassistische Morde – Entnazifizierung jetzt!
United against Racism!